Dr. Oliver Kreft
Verantwortlicher für Kreislaufwirtschaft bei der Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft mbH
- Alter: 52
- Spezialgebiet: Kreislaufwirtschaft von Porenbeton
Nachhaltig und umweltfreundlich handeln – der Klimawandel verlangt auch von der Baubranche ein konsequentes Umdenken. Dr. Oliver Kreft ist verantwortlich für Kreislaufwirtschaft bei der Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft mbH und spricht im Interview über die nachhaltige Zukunft der Baubranche.
Interview Dr. Oliver Kreft
Nachhaltigkeit ist auch in der Baubranche das Zukunftsthema. Was bedeutet das für Unternehmer und für Baustoffhersteller im Besonderen?
Das Thema CO2-Emissionen stellt eine große Herausforderung dar, denn die gesamte Branche muss Lösungen finden, um bis zum Jahr 2050 die im European Green Deal geforderte Klimaneutralität zu erreichen. Das scheint auf den ersten Blick noch ein langer Zeitraum zu sein, aber wir sehen zum Beispiel am Energie- und Klimaplan der Bundesregierung, dass schon zeitnah wirksame Schritte von uns erwartet werden.
Die bei Bauprojekten wesentlichen Aspekte für Umwelt und Klima sind vielfältig. Wie wird ein Baustoff zu einer ökologischen und nachhaltigen Wahl?
Die Bauwirtschaft ist für rund 50 % der gesamten Rohstoffgewinnung und über 35 % des gesamten Abfallaufkommens in der EU verantwortlich. Eine ökologisch nachhaltige bauliche Umwelt verlangt, dass – neben der Betrachtung von CO2-Bilanzen – die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft während des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden gelten müssen. Das kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass Bauteile vollständig recycelt und zur Neuproduktion von Baustoffen wiederverwendet werden. Deshalb arbeitet Xella am Aufbau einer Kreislaufwirtschaft für Porenbeton, die dessen hochwertige Weiternutzung nach Abbruch oder Rückbau sicherstellen soll. Die gebaute Umwelt dient so als Rohstofflager für die Gebäude von morgen.
Interview Dr. Oliver Kreft
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und Ihre Kollegen bei der täglichen Arbeit? Und welche Lösungen hat die Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft dafür?
Wir würden gern noch mehr mit alternativen Rohstoffen experimentieren, um die klassischen Primärrohstoffe auf ein Minimum zu reduzieren oder in Zukunft vielleicht sogar ganz zu ersetzen. Leider ist der Markt für derartige Alternativen heute noch sehr überschaubar und manche vermeintliche Alternative erweist sich als weniger umweltfreundlich als zunächst angenommen – gerade was Nebenprodukte aus der Industrie betrifft. Wir setzen deshalb auf Open Innovation und erarbeiten selbst Lösungen, Hand in Hand mit Partnern aus Industrie und Grundlagenforschung. Zum Beispiel kooperieren wir mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in der Entwicklung eines neuartigen Bindemittels, das aus Altporenbeton hergestellt wird. Damit können wir vielleicht schon bald Zement durch eine CO2-effizientere Alternative aus Abbruchmaterial ersetzen.
Was ist Ihrer Ansicht nach wichtig, um ökologische und nachhaltige Lösungen im Baubereich für alle Beteiligten flächendeckend zugänglich und nutzbar zu machen? Sprich: für private Bauherren sowie kleine und große Bauunternehmen.
Wenn ich den Begriff "Nachhaltigkeit", der ja mehr als nur Umweltschutz bedeutet, einmal darauf reduziere – also zum Beispiel auf Energie- und Ressourcenschutz – dann gibt es solche Lösungen bereits. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, ausschließlich die Herstellung von Baustoffen zu bilanzieren. Der Betrachtungsrahmen muss die gesamte Lebensdauer sowie die Nachnutzung umfassen. Und was die Energieeffizienz von heute realisierbaren Gebäudehüllen aus klassischen Baustoffen angeht, sind wir meiner Meinung nach bereits hervorragend aufgestellt.
Auch der kleinste Bauunternehmer muss sich bewusst sein, dass er mit seiner Kaufentscheidung die Entwicklung nachhaltiger Baustoffe unterstützen kann, indem er zum Beispiel Baustoffe mit Recyclinganteil kauft.
„Die gebaute Umwelt dient so als Rohstofflager für die Gebäude von morgen.“
Interview Dr. Oliver Kreft
Ein Blick in die Zukunft: Welche nachhaltigen Innovationen stehen in der Baubranche bereits in den Startlöchern?
Auch hier muss ich auf das Thema CO2-Bilanzen zurückkommen. Als Hersteller von Porenbeton haben wir das Erreichen der Klimaziele nur zu etwa 40 % in der Hand. Die anderen 60 % müssen von unseren Partnern in der Wertschöpfungskette erbracht werden. Das betrifft insbesondere die Hersteller der ressourcen- und energieintensiven Rohstoffe Zement und Kalk. Hier gibt es sehr spannende Ansätze zu Carbon Capture and Utilization (CCU), Carbon Capture and Storage (CCS) oder neue Verfahren zur Dekarbonisierung von Hochtemperaturprozessen. CCU bedeutet CO2-Abscheidung und Verwendung, also die Abtrennung von CO2-Abgasen und deren anschließende Nutzung als Rohstoff – zum Beispiel in der chemischen Industrie. CCS-Technologien hingegen haben zum Ziel, das abgeschiedene CO2 dauerhaft in unterirdischen Lagerstätten zu speichern. Aber es ist noch zu früh, um vorherzusagen, welche der Technologien uns in diesem Jahrzehnt den Durchbruch bringen werden.
Beenden Sie folgende Sätze:
- Meine Leidenschaft in der Forschung …
„... sind interdisziplinäre Projekte mit meinen Kollegen der Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft, aber auch mit Forschern aus ganz anderen Fachgebieten - der so genannte "Blick über den Tellerrand". - Nachhaltigkeit im Bau heißt für mich …
„... die Umsetzung des Cradle-to-Cradle-Prinzips (C2C). Das bedeutet, dass Bauprodukte nach dem Prinzip einer geschlossenen und potenziell unendlichen Kreislaufwirtschaft entwickelt und produziert werden – ohne Abfallentstehung.“ - In zehn Jahren wird die Baubranche …
„... ihren Energiebedarf zu großen Teilen aus regenerativen Quellen decken. Damit sind wir einen sehr großen Schritt weiter auf dem Weg zur Klimaneutralität.“