Der ewige Kreis der Baustoffherstellung
In Deutschland entstehen jährlich ca. 400 Mio. Tonnen Abfall. Mehr als die Hälfte davon ist Bauschutt – Tendenz steigend. Ein Wert, der besonders in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit aufhorchen lässt. Denn im Abfall steckt nicht nur eine Last für die Umwelt, sondern auch eine Chance für neue Wege.
Wiederverwenden statt verschwenden
Kreislaufwirtschaft – was bedeutet das eigentlich? Im Grunde sagt der Name es bereits aus. Statt ein Produkt zu erzeugen, das nach Ablauf seiner Lebenszeit keinen Nutzen mehr erfüllt und entsorgt werden muss, schafft die Kreislaufwirtschaft ein regeneratives System. Das Produkt kann, sobald sein primärer Zweck ausgeschöpft ist, weiter- oder wiederverwertet werden. Entweder dienen die enthaltenen Rohstoffe als Ausgangsmaterial für die Neuproduktion eines gleichwertigen Produkts, oder sie schaffen die Basis für ein ganz neues Erzeugnis. Im Idealfall wird das Produkt in seiner Gesamtheit im Stoffkreislauf gehalten. Die Kreislaufwirtschaft arbeitet also zirkulär, während Produkte aus der linearen Fertigung ohne Umwege auf ihre finale Entsorgung am Ende ihres Nutzungszyklus zusteuern.
Porenbeton ist ein anschauliches Beispiel für ein regeneratives Kreislaufsystem: Er wird aus fein gemahlenem Sand, Kalk, Zement, Wasser und einem Treibmittel hergestellt. In seiner sortenreinen Form kommt der Porenbeton, so wie er ist, zurück in den Herstellungsprozess. Möglich ist das zum Beispiel bei Produktionsresten oder Verschnittresten aus dem Neubau. Er wird einfach zerkleinert und dann der laufenden Produktion zugefügt. Aber auch, wenn er jahrzehntelang Teil einer Hauswand war, ist Porenbeton wiederverwertbar. Dafür wird er vor seiner Weiterverwendung sortiert, sodass nur sortenreines Material zurück in den Prozess kommt. Und wie Baustoffe in Jahrzehnten wiederverwendet werden können, wird im Idealfall schon heute bei der initialen Planung des Bauprojekts mitgedacht.
"Die Fridays-for-Future-Bewegung und der Green Deal der EU haben die Themen Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft stärker in den Fokus gerückt."
Klimaschutz im großen Stil
Warum die Kreislaufwirtschaft so relevant ist, erklärt Torsten Schoch, Geschäftsführer der Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft mbH im Interview mit der DGfM (Deutsche Gesellschaft für Mauerwerksbau): „Bereits heute ist der Gebäudesektor für 50 % des Abfallaufkommens, 40 % des Energieverbrauchs und 30 % der CO2-Emissionen verantwortlich. Laut Prognosen der Vereinten Nationen wird die Zahl der Menschen, die in Städten leben, bis 2050 von aktuell 55 auf 75 % ansteigen. Die gebaute Umwelt wird sich in Zukunft also noch deutlich vergrößern und damit auch der Energieverbrauch, CO2-Ausstoß sowie die Abfallmengen. Wenn wir die Klimaziele vor diesem Hintergrund trotzdem erreichen wollen, müssen wir den Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren. Dies ist nur durch den Umstieg in eine Kreislaufwirtschaft möglich, die auf geschlossenen Stoffkreisläufen, Abfallvermeidung und Regeneration basiert.“
Vorhandene Ressourcen sinnvoll nutzen
Wichtig hierbei: Sekundärbaustoffe sind wertvolle Ressourcen. Deshalb sollten sie nicht nur als Füll- und Befestigungsmaterial im Straßen-, Wege- oder Landschaftsbau dienen. Idealerweise werden sie zu neuen Baustoffen und helfen so dabei, die CO2-Bilanz des Gebäudesektors zu verbessern. Das schützt das Klima – denn zu verwenden, was ohnehin vorhanden ist, ist immer die nachhaltigste Lösung. Dr. Oliver Kreft, verantwortlich für Kreislaufwirtschaft bei der Technologie- und Forschungsgesellschaft, erläutert: „Einen wesentlichen Anteil am Globalen Erwärmungspotential (GWP) von Porenbeton haben die in der Herstellung eingesetzten Bindemittel Kalk und Zement. Beide Ausgangsstoffe werden in energieintensiven Hochtemperaturprozessen hergestellt – heute größtenteils noch unter der Verwendung fossiler Brennstoffe mit entsprechend hohen CO2-Emissionen. Darüber hinaus wird bei diesen Brennprozessen chemisch gebundenes CO2 freigesetzt, das natürlich ebenso einen Beitrag zur Gesamt-CO2-Bilanz liefert. Wenn wir Porenbeton recyceln, sparen wir Primärrohstoffe und die darin enthaltene graue Energie ein. Und dazu gehören auch die beiden CO2-Verursacher Kalk und Zement.“
Graue Energie, das ist die Menge an Energie, die benötigt wird, um einen Baustoff zu produzieren, zu lagern, zu transportieren und zu entsorgen. Speziell auch der letzte Punkt spielt neben der Produktion bei der Kreislaufwirtschaft eine große Rolle: Wenn Baustoffe auf der Deponie landen, belastet das die Umwelt. Hier kann ein regeneratives System wirksam gegensteuern.
Was ist jetzt schon möglich – und was fehlt noch?
Schon heute werden 80 % des jährlich anfallenden mineralischen Bauschutts wiederverwendet. Ein guter Wert, allerdings fließt der Großteil davon in den Straßenbau und wird damit aus dem Kreislauf herausgenommen. Dr. Oliver Kreft bezeichnet diese Art der Verwertung als „Downcycling“: „In Zukunft werden mehr Möglichkeiten für ein Recycling ‚auf Augenhöhe‘ zur Verfügung stehen, um ein Bauprodukt möglichst unbegrenzt in seiner ursprünglichen oder zumindest gleichwertigen Funktion wiederverwerten zu können. Nötig dafür sind maßgeschneiderte Technologien und Strukturen für ein hochwertiges Recycling möglichst vieler unterschiedlicher Baustoffe. Dafür benötigen wir noch mehr Wissen über Materialzusammensetzungen, eventuelle Schadstoffgehalte und deren Ausschleusung aus dem Kreislauf. Das erfordert darüber hinaus einen möglichst geringen Aufwand bei Rückbauaktivitäten, was für modulare Bauweisen und gegen schlecht trennbare Verbundkonstruktionen spricht.“
Eine Voraussetzung dafür sind, laut Kreft, bundesweit eindeutige und einheitliche Vorgaben für das Baustoffrecycling.
"Der Schutz von Mensch und Umwelt muss an erster Stelle stehen."
Die Politik sei gefragt, an dieser Stelle Orientierungshilfe zu leisten. Erst dann könne über verbindliche Quoten für recyclingfähige oder – noch besser – tatsächlich recycelte Baustoffe gesprochen werden.
Nicht zuletzt sieht Dr. Oliver Kreft das Image von Recycling-Baustoffen als zentralen Faktor in der Zukunft der Kreislaufwirtschaft. Dabei können unabhängige Umweltproduktdeklarationen ein wirksames Mittel sein. Am wichtigsten sei, dass die gesamte Branche beim Thema Recycling an einem Strang ziehe. Denn nur, wenn sich Bauherren für wiederverwendbare Baustoffe entscheiden, entsteht Wandel – letztendlich bestimmt die Nachfrage, wie oft ein Baustoff tatsächlich eingesetzt wird. Wenn das der Fall ist, ist es durchaus möglich, dass zukünftig die CO2-Bilanz darüber entscheidet, ob ein Baustoff wettbewerbsfähig ist.
Fazit
Deutschland hat sich für 2050 hohe Klimaziele gesteckt. Da der Gebäudesektor die Hälfte der deutschen Abfallmenge erzeugt, sind hier besonders wirksame Lösungen gefragt. Die Kreislaufwirtschaft schützt durch eingespartes CO2 direkt das Klima. Wenn die ganze Baubranche mitzieht, kann sie im großen Stil dazu beitragen, dass Deutschland die Klimaziele erreicht.