Plattenbausiedlung Berlin-Lichtenberg: Neuer Wohnraum für den Kiez
In einer Plattenbau-Großsiedlung in Berlin-Lichtenberg entstand moderner und flexibler Wohnraum. Zwei große Wohngebäude mit individuellen Grundrissen ergänzen jetzt die über 40 Jahre lang bestehende Siedlung.
Nachverdichtung in der wachsenden Stadt
Die Großsiedlung Fennpfuhl entstand in den 1970er- und 1980er-Jahren im Zuge des Wohnungsbauprogramms der DDR in modularer Bauweise. Die Flächen zwischen den Zehn- und Elfgeschossern dienten als Spielflächen und grüne Erholungsräume. Nach der Wende verwilderten sie zusehends und wurden zu einem städtebaulichen Problem. Die Wohnungsbaugenossenschaft HOWOGE erwarb vor einigen Jahren ein solches Grundstück, um neuen und zeitgemäßen Wohnraum zu schaffen. Zehngeschossige Plattenbauten umgeben das etwa 4.000 Quadratmeter große Grundstück in der Paul-Zobel-Straße. Der Auftrag ging an das Architekturbüro Heide & von Beckerath. Aufgrund mangelnden Raumes wird in vielen Großstädten nachverdichtet. Ein weiteres spannendes Projekt ist das Konstantinum in Leipzig, das Interessierte hier finden.
Entwicklung des Wohnquartiers fördern
„Wir wollten nicht einfach nur nachverdichten, sondern etwas Positives hinzufügen,“ erklärt Architekt Tim Heide. „Unser Ziel war es, zeitgemäße Wohngrundrisse für individuelles Leben anzubieten.“
Das Resultat: zwei achtgeschossige Mietshäuser mit rund 70 Wohnungen. Eine eingeschossige Kindertagesstätte verknüpft die leicht zueinander versetzten Wohnbauten. Die Zimmer der Zwei- bis Fünfraumwohnungen in den Regelgeschossen sind um einen innenliegenden Kern aus Bad und Küche angeordnet. So kann die Bewohnerschaft frei entscheiden, welche Räume sie abtrennen will. Lässt sie alle Türen weg, entsteht um das Küche-Bad-Element ein offener, fast loftartiger Raum. Wünscht der Mieter hingegen Türen, erhält er mehrere, ungefähr gleich große Einzelzimmer. Zu jeder Wohnung gehört zudem mindestens ein weit herausragender Balkon.
„Wir wollten etwas Positives hinzufügen, nicht den Raum einfach wegnehmen.“
Außen Porenbeton, innen Kalksandstein
Um flexible Grundrisse zu ermöglichen, war eine besondere Gebäudekonstruktion nötig. „Wir wollten eine monolithische Bauweise ohne Wärmedämmung, wenige Anschlussdetails und massive, tragende Außenwände, die Sonnenwärme speichern“, sagt Tim Heide. Eine weitere Herausforderung für die Tragstruktur waren die zahlreichen Öffnungen in der Fassade, da diese zwar alle gleich groß sind, aber nicht übereinander liegen. Für die Außenwände der oberen sieben Geschosse kamen großformatige Porenbetonsteine zum Einsatz. Die aufgrund der Steingröße schnell errichteten Wände weisen neben dem hohen Wärmeschutz ebenso einen hohen Schall- und Brandschutz auf. Welche weiteren Vorteile das Bauen im Großformat hat, können Architektinnen und Architekten hier nachlesen.
Das Erdgeschoss besteht aus Stahlbetonfertigteilen. Die Wohnungstrennwände und der tragende Treppenhauskern sind aus Gründen des Schallschutzes und im Bestreben, schlanke Innenwände zu haben, aus Kalksandsteinen gemauert.
Dieses Konzept verspricht, die neuen Wohngebäude zu einem langlebigen, vielseitig einsetzbaren Teil der Großsiedlung zu machen.
Raum für gelebte Nachbarschaft
Tim Heide und seine Büropartnerin Verena von Beckerath legen großen Wert auf die Förderung der Gemeinschaft: Die alteingesessene Bewohnerschaft des Kiezes und die neuen Nachbarn sollen miteinander in Kontakt kommen und das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt werden. Heide und von Beckerath entwickelten zunächst einen Freiraum zwischen den Plattenbauten und den Neubauten. „Wir überlegten dann, wie wir die Menschen zusammenbringen können“, erinnert sich Tim Heide. „Was wir in Berlin immer brauchen, sind große Abstellräume für Fahrräder. Wir schlugen daher vor, diese Fahrradräume im Erdgeschoss unterzubringen und etwas größer zu machen als nötig, um sie zum einen allen Quartiersbewohnern zur Verfügung zu stellen und um sie zum anderen auch für andere Zwecke wie Nachbarschaftsfeste oder Kulturveranstaltungen nutzbar zu machen. Über große Falttüren öffnen sich die Fahrradräume nach außen. So entstand ein attraktiver Raum, der gleichzeitig Eingangsbereich, Begegnungsort und Bindeglied zwischen Neu- und Altbauten ist.“
Neue Ideen für gemeinschaftliches Wohnen
Eine Anforderung der HOWOGE an die Architekten war es, neben klassischen Wohnungsgrundrissen neue Ideen für gemeinschaftliches Wohnen wie etwa Mutter-Kind-, Senioren- oder Studierenden-WGs zu entwickeln. Für die Wohngemeinschaften sind die Hochparterres reserviert. Jede Wohnung besteht aus einer Küche und einem Bad zur kollektiven Nutzung, dazu steht jedem Bewohner ein eigener Raum mit acht bis elf Quadratmetern und eine kleine Terrasse zur Verfügung. Diese ist zugleich Freibereich und privater Zugang zu den Wohnungen. „So muss man nicht zwingend den Hauptzugang vom Treppenhaus nutzen“, erklärt Tim Heide das Konzept. „Die Räume sind zwar klein, aber separat erschließbar, was allen ein wichtiges Stück Privatsphäre sichert. Solche Kleinigkeiten finden wir im heutigen Wohnungsbau wichtig.“
Fazit
Bei diesem Projekt treffen DDR-Bauten auf moderne Wohngebäude und Alteingesessene auf frisch Zugezogene. Um die beiden Welten bestmöglich zu verbinden, braucht es ein flexibles Konzept – wie das vom Team um Tim Heide.