Lars Krückeberg
Architekt und Mitbegründer des Architekturbüros GRAFT
- Alter: 54
- Spezialgebiet: Design, Architektur und Stadtplanung
Lars Krückeberg ist Gründungspartner und Leiter des international renommierten Architekturbüros GRAFT. Das Studio ist in den Bereichen Design, Architektur und Stadtplanung tätig. Im Interview spricht er über die Herausforderungen im Wohnungsbau, wie die Politik hier unterstützen kann und über die Aufgabe von Architekten.
„Die Aufgabe als Architekt ist es, das Ungewohnte zu denken.“
Interview Lars Krückeberg
Worin liegt für Architekten die Herausforderung beim Wohnungsbau?
Der Boden ist teuer und der Architekt am Ende einer langen Kette kämpft meist mit einem geringen Budget, um urbane Qualität oder Lebensqualität herzustellen. Häuser sind Sparschweine geworden und die Investoren haben häufig keinen Bezug zur Immobilie. Genauso wie der Architekt manchmal nicht weiß, wer am Ende in das Gebäude einzieht. Dadurch entsteht eine Art Disenfranchisement zum Produkt. Doch wenn man die Chance hat, Lebensraum zu schaffen, muss man das Beste daraus machen.
Könnten großformatige Baustoffe und digitale Planung ein Weg sein, um Baukosten niedrig und die Bauqualität hoch zu halten?
Eigentlich müssen die Hebel und Weichen früher gestellt werden, und zwar bevor der Architekt dabei ist. Aber betrachten wir mal, was uns zur Verfügung steht: Der Computer hat uns in die Lage versetzt, sich mit verschiedenen Partnern über digitale Schnittstellen zu verbinden. Mit einem entsprechenden Programm können einzelne Bauteile dreidimensional und damit auch das ganze Haus abgebildet und verstanden werden. Das wiederum schafft eine Möglichkeit, in economies of scale, zu arbeiten. Erst durch diese Repetition wird es möglich, sehr effizient zu planen. Dazu muss man am Anfang eben ein bisschen mehr in Grips investieren, um dann schneller bauen zu können. Auch durch Bauteilvorfertigung.
Widerspricht sich Wiederholung nicht mit dem Kreativitätsgedanken?
Das kann beides zusammengebracht werden. Repetition ist ja erst einmal wertfrei. Die Aufgabe als Architekt ist es, das Ungewohnte zu denken sowie innovative Schritte zu machen, um kostengünstig zu bauen und trotzdem einen Mehrwehrt herzustellen, der eine Besonderheit, eine Möglichkeit zur Identifizierung mit einem Stadtteil, Haus oder Block bringt. Als Architekten arbeiten wir immer für die Menschen. Die müssen sich wohlfühlen in ihren Häusern und in ihrer Nachbarschaft. Wenn es ums Wohnen geht, haben wir es mit Milliarden von Experten zu tun – weil alle wohnen.
Interview Lars Krückeberg
Ihr habt euer Headoffice in Berlin. Das ist eine Stadt, in der sehr viel über das Thema Quartiersentwicklung gesprochen wird. Bei euren Projekten vor Ort habt ihr die Möglichkeit, auch wirklich orientiert am Menschen zu bauen.
Manchmal ist das einfacher und manchmal schwieriger. Die Anfangsfrage ist oft: Wie viel Geld hat man am Ende noch übrig? Ist das Geld schon ausgegeben worden, weil die Bodenpreise so hoch sind? Meistens ist das der Fall. Aber manchmal hat man einen Auftraggeber, der einen Mehrwert in einer Art Städtebau erkennt, die auch Identität schafft. Dann nimmt man etwas, das schon da ist, bringt etwas Neues dazu und stellt so eine Synthese her. So schafft man einen Mehrwert für die Stadt und die Menschen, aber eben auch für die Investoren, die uns beauftragen, das Ungewohnte zu denken und so Kieze zu gestalten.
Stadtentwicklung und Kiezleben zu fördern, ist auch Aufgabe der Kommunen und der öffentlichen Hand. Würdest du dir dort mehr Vorgaben und Regulation wünschen?
Das ist ein Problem, welches man nur miteinander lösen kann. Möglicherweise müssen Städte ihre Böden und Wohnungen zurückkaufen, die sie in den Achtzigern und Neunzigern mit beiden Händen verkauft haben. Denn die Immobilienwirtschaft hat nicht den Auftrag, Werte für die Stadtgesellschaft zu schaffen. Das ist eine politische Aufgabe und die Politik muss dazu anregen, das Richtige zu tun. Manchmal können das auch Restriktionen sein, in der Art: „Ihr müsst jetzt sozialen Wohnungsbau mitdenken. Aber dieser soll auch nicht alleine entstehen, sondern in einem urbanen Mix.“ Anreize sind hier wichtiger als Verbote. Am Ende des Tages geht es vor allem darum, viele Angebote zu schaffen. Dazu müssen wir einfach viel mehr bauen.
Nachverdichtung in der wachsenden Stadt
Wie Vorhandenes und Neues sinnvoll miteinander verbunden werden, zeigt auch das Bauvorhaben in einer Großsiedlung in Fennpfuhl im Berliner Bezirk Lichtenberg. Hier wurden im Innenhof einer ehemaligen DDR-Wohnanlage zwei achtgeschossige Gebäude mit 70 Wohnungen in unterschiedlicher Größe errichtet. Sie alle verfügen über mindestens einen Balkon oder eine Terrasse, einen offenen Wohnungsgrundriss mit Bad und Küche im Kern und bieten Platz für unterschiedliche Lebensbedürfnisse. Welche Besonderheiten das Projekt enthält und wie es umgesetzt wurde, lesen Sie im Artikel.