BIM: Digitalisierung eröffnet Horizonte
Rund 75 Minuten lang tauschten sich unsere Gäste im Studio X untereinander darüber aus, wie BIM die Planung vereinfacht, welche Voraussetzungen es dafür benötigt, wer Partner bei der Umsetzung sein können und vor allem, welche Horizonte sich öffnen!
Experten zeigen gangbare Wege fürs digitale Bauen
In der zweiten Folge des interaktiven Formats Studio X von Xella drehte sich am 31. März 2022 alles um das Thema BIM. Vier Experten aus den Bereichen Planung, Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung gaben den online zugeschalteten Zuschauerinnen und Zuschauern Einblicke in ihre alltägliche Arbeit und Anregungen für den Einsatz von 3D-modellierten Planungsgrundlagen. Bei einem waren sich alle einig – wenn es um BIM geht, sollte das Kredo lauten: Einfach machen!
BIM ist eines der aktuell beherrschenden und meistdiskutierten Themen im Baubereich. Die digitale Planungsmethode, bei der mit Hilfe von 3D-Software vernetzte Planung, Bau und Bewirtschaftung von Gebäuden möglich ist, steht für einen Paradigmenwechsel in der Branche. Planer und alle am Bau beteiligten Gewerke stellt dies vor große Herausforderungen, ermöglicht aber ebenso vielfältige Chancen.
Als Baustoffhersteller, Planungspartner und Anbieter eines eigenen Planungsservices beschäftigt sich Xella bereits seit Jahren mit der Thematik und lud daher zu einer ausführlichen Diskussion ein. Im Studio X, Xellas kommunikativer und interaktiver Plattform, diskutierten Ende März daher vier praxisnahe Experten:
- Dirk Salewski, Geschäftsführender Gesellschafter beta Eigenheim, Bauherr des Kronprinzenviertels in Dortmund, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Bund und NRW sowie Mitglied im Präsidium des Deutschen Instituts für Normung (DIN).
- Prof. Dr.-Ing. Martin Ferger, Leiter des Lehrgebiets Bauorganisation und Baumanagement der FH Aachen, Consultant und Coach für BIM-Weiterbildungen.
- Mario Mirbach, Architekt, Geschäftsführender Gesellschafter der Pure Gruppe aus Regensburg, Gründer von Mr + Mrs Homes, einen Einfamilienhaus-Konfigurator, sowie Landesvorsitzender des Bund Deutscher Baumeister (BDB) Bayern.
- Andreas Radischewski, studierter Architekt und Head of BIM bei Xella International. Er betreut in dieser Funktion blue.sprint, den Planungsservice von Xella.
Auch wenn sich alle Diskussionsteilnehmer einig waren, dass BIM vom Ausprobieren und Machen lebt, zeigte sich in den aufgerufenen Umfragen eine andere Tendenz: Laut einer Statistik der Bundesarchitektenkammer von 2021 arbeiten 72 Prozent der Architektur- und Planungsbüros noch nicht mit BIM. Auch eine unter den rund 300 Zuschauerinnen und Zuschauern durchgeführte Umfrage, kam zu ähnlichen Ergebnissen: Rund 60 Prozent gaben an, noch nicht mit BIM zu arbeiten. Woran das liegt und wie diesem Phänomen entgegengewirkt werden kann, zeigten im weiteren Verlauf der Sendung die Beiträge und Diskussionen.
Digitalisierung in der Praxis: die Projekte Kronprinzenviertel in Dortmund und Lerchenberg in Borna
Wie und wo sich BIM in der Praxis anwenden lässt, auf welche Herausforderungen reagiert werden kann und welche Lösungsmöglichkeiten sich bieten, wurde an zwei gezeigten Praxisbeispielen deutlich: Das Kronprinzenviertel in Dortmund und die Siedlung Lerchenberg in Borna.
Das Kronprinzenviertel in Dortmund ist momentan eines der größten Bauvorhaben Nordrhein-Westfalens. Für den Bauherren beta Eigenheim und seinen Geschäftsführer Dirk Salewski ist das Planen mit BIM aufgrund der Lage und Besonderheiten des Geländes unumgänglich und dank mehrjähriger Erfahrung auch das Planungswerkzeug seiner Wahl. Denn die notwendige Kosten- und Materialkalkulation für das Areal ist für seine Arbeit entscheidend, da er Auftraggebern und Kunden eine Preisgarantie gewährleisten möchte. Zudem kämpft er, wie so viele in der Branche, mit akutem Material- und Fachkräftemangel und benötigt die digitale Planung zur Effizienzsteigerung. Obwohl dadurch ein erleichterter Planungsablauf ausgewiesen ist, stößt er jedoch auch an Grenzen, wenn beteiligte Fachplaner sich weigern, mit BIM zu arbeiten.
Die Siedlung Lerchenberg in Borna bei Leipzig zeigt, welche weiteren Chancen und Möglichkeiten – abseits des planerischen Alltags – BIM eröffnet. Die Einfamilienhaus-Siedlung, die vollständig mithilfe eines mehrstufigen digitalen Bauprozesses wirtschaftlich mit Großformaten realisiert wird, ermöglicht den privaten Bauherren, ihre Wohnhäuser individuell mit Hilfe eines Einfamilienhaus-Konfigurators zu planen. Entstanden als Ausgründung des Architekturbüros Pure in Regensburg, wurde für Mr + Mrs Homes der Planungsprozess systematisiert und skaliert. Mit Hilfe von BIM sowie hinterlegten Produkt- und Preisdatenbanken wird somit der Endkunde zum Planer des Eigenheims.
„Das genau ist der Vorteil von BIM, dass wir nicht mehr auf der Baustelle planen müssen, sondern vorher alles feststeht.“
BIM und blue.sprint – die ideale Ergänzung für die reibungslose Planung
Das Kronprinzenviertel sowie die Siedlung Lerchenberg werden nicht nur beide in BIM geplant, sondern zugleich vom Xella-Team mit dem hauseigenen Planungsservice blue.sprint weiterbearbeitet und optimiert. Aufbauend auf einem ausführlichen Check der von den Planern erstellten dreidimensionalen Architekturmodelle und der Vereinheitlichung auf den internationalen BIM Standard ILS, werden mit Hilfe der Software das Baumaterial der Wände elementiert, optimiert, wo es Möglichkeiten gibt und in die konfektionierte Produktion gegeben. So können bei beiden Projekten den jeweiligen Herausforderungen – die Logistik beim Kronprinzenviertel und der zeiteffiziente und platzsparende Bau am Lerchenberg – im Prozess Rechnung getragen werden. Just-in-Time-Lieferungen und leicht einsetzbare Systemwandelemente machen die Entwicklung planbar.
Aus- und Weiterbildung als erster Schritt zur Planung mit BIM
Große Potenziale für ein erfolgreiches Arbeiten mit BIM liegen zunächst in der interdisziplinären Lehre, bei welcher beispielsweise durch eine gemeinsame Bearbeitung von praxisnahen Projekten durch Architektur- und Ingenieurstudierenden an den Hochschulen ein Grundverständnis für die Planungsmethode entwickelt wird. Denn auch in der beruflichen Weiterbildung und anschließenden Implementierung von BIM in Planungsbüros ist der kooperative Gedanke und eine abgestimmte Kommunikation die Basis aller künftigen Prozesse. Wie tief ein Teilnehmer in die Thematik eintauchen und welche Qualifikation er erwerben muss, ist stark abhängig von der Größe und den Anforderungen der jeweiligen Architekturbüros. Ein BIM-Seminar ist jedoch nur als erster Schritt zu verstehen: Planende benötigen daraufhin Zeit und Raum innerhalb des Büroalltags, um sich an konkreten – zunächst möglicherweise kleinen – Projekten zu versuchen, so die digitale Planungsmethode praxisorientiert zu verfestigen und das erlangte Wissen zu implementieren.
Kein Warten auf Standards und Verordnungen
Zwar existieren bereits Normen, Standards und Verordnungen, um BIM als Planungsmethode national wie international zu etablieren, aber noch sind diese in Deutschland nicht einheitlich oder überall bindend. Die Bedenken vieler Planer – auch dass ein messbarer Mehraufwand in Planungsphase 3 in der HOAI noch nicht verankert sei – wurden von den Experten im Studio X ernst genommen und diskutiert. Sie plädierten jedoch dafür, weniger Gewicht auf die Standards und Verordnungen zu legen, sondern mehr darauf, BIM anzuwenden. Die HOAI sei schließlich bereits flexibel anwendbar.
Die Zukunft ist BIM
Nach den vielfältigen Einblicken in den Arbeitsalltag mit BIM und sehr konkreten Beispielen, ermöglichte das interaktive Format des Studio X den Studiogästen, weiter mit den Zuschauenden zu diskutieren und Zukunftsvisionen zu ersinnen. Denn BIM ermöglicht nicht nur eine vereinfachte Einbeziehung aller Planenden in den Prozess oder seine Dokumentation. Es schafft eine Basis, die in Zukunft die Anwendung weiterer Technologien ermöglicht und damit eine Antwort auf die drängenden Herausforderungen der Branche wie Fachkräftemangel oder Ressourcenknappheit gibt. Beides kann zukünftig durch Automatisierung, Robotik und/oder den Einsatz von Augmented Reality – natürlich basierend auf den dreidimensional modellierten Planungsunterlagen – zumindest abgefedert werden. Um nicht abgehängt zu werden, sollten Planer und Architekten also nicht auf DIN- oder VDI-Normen warten, sondern einfach „Machen und Ausprobieren“!